Humboldtii

die ‚Schattentomate‘

Sofern man einen Balkon hat, der sich wenig Sonne gönnt, kann man auf das wilde Tomaten-Kind zurückgreifen. Sie wird von einigen Urban Gardeners empfohlen, die durch Zufall zu dieser Erkenntnis kamen. Zu viele Jungpflanzen, zu wenig Platz in der Sonne, und daher in wenig Sonne gesetzt.

Dieses Jahr ist das erste Jahr, dass ich Humboldtii zu mir einlade. Derzeit läßt sie es sich am Fensterbrett gut gehen.

Tomate-humboldtii-Monika-Aschl-kraft-kraeuter

Und ich habe Fürchterliches vor. Das Aussetzen in ein Beet ohne Regendach!
Sie bekommt aber ein Spalier, damit sie ungestört ranken kann. Das schnelle Wachsen soll eine Leidenschaft der wilden Tomaten sein.
Das Spalier werde ich im Stile eines Trichters aus leicht zu beschaffenden Haselnussholz binden. In der Trichtermitte findet sich dann nach der Anzucht und dem Aussetzen die kleine Humboldtii wieder. Kein Weidenkorb wie bei Moses sondern Haselnussgeflecht. So der Plan.

Wuchstrichter-Monika-Aschl-kraft-kraeuter

Und dann werde ich sehen, was sie kann. Und ich vertraue darauf, dass die Geschichten über sie wahr sind.
Natürlich werde ich sie bei zu üppigem Wachstum ein wenig ausgeizen und ihre Füße in Stroh betten.

Humboldtii ist keine Gewächshaustomate, dazu ist sie zu wüchsig. Sie soll eine der Braunfäule ignorierendsten Tomatenarten überhaupt sein, außerdem wächst sie auch in schattigeren Lagen. Wie es dann, um die Anzahl der Früchte steht, ist noch ungewiss. Dazu habe ich keine Quelle gefunden.

Humboldtii sollte man auch aus historischen Gründen mindestens einmal im Leben gezogen haben.
In ihr lebt der Geist der Entdeckung fremder Länder fort!
Ihre Samen sind allein ohne Mutterpflanze quer über den Atlantik in einem schauckelnden Segelschiff gen Europa gereist. Sie ließen Lateinamerika hinter sich und wagten einen Neuanfang in Berlin.
Alexander von Humboldt (1769–1859) verpackte sie eigenhändig und schiffte sie ein, adressiert an seinem Mentor: Carl Ludwig Willdenow (1765–1812). Dieser hatte den botanischen Garten, der sich bei der Übernahme als wilde Ödniss entpuppte, in Schöneberg Berlin unter seinen Fitichen. Willdenow sorgte dafür, dass der Garten seinem Namen wieder Ehre machte und mit exotischen Gewächsen bevölkert wurde. Er nahm die Samen von Solanum humboldtii entgegen und sorgte für ihre Kultivierung. Danach wuchs die mutmaßliche Urtomate heran und wurde einer der Gäste aus fremden Landen.
Es soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass natürlich wie unter Botanikern üblich, auch einige Humboldtii-Pflanzen zwischen Papier gepresst wurden, um Teil eines umfassenden Welt-Herbariums zu werden. Willdenows Herbar war ca. 20.000 Pflanzen stark!

Einige Fakten:
Die Früchte sind klein (3 cm) und gschmackig.
Sie wachsen in Rispen von 5 – 6 Früchten.
Sie ist ein unbeschwerter Wildling, der mit wenig Sonne und magerer Erde zurecht kommt.
Ihre Wüchsigkeit verlangt nach einem Spalier, Heumandl oder Wuchstrichter, damit die Pflanze vom Boden loskommt.
Die Reifezeit ist um die 80 Tage.
Ihre Höhe variiert zwischen 1,5 – 2,5 m.
Daher immer an ein Stützgerüst denken, sonst ist der Balkon bald zu klein für Beide – Mensch und Tomate!
Frei nach der Sparks Hit: ‚This Town Ain’t Big Enough For Both Of Us‘

Man beachte die roten Handschuhe, die rote Hose und den roten Schal des Sängers, das kann kein Zufall sein!

Übrigens man darf Solanum humboldtii botanisch auch: Lycopersicon esculentum Mill. nennen.

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