Bald ist es soweit.
Der kleingeistige Tomatenzüchter kann das zur Erde gesenkte Haupt erheben.
Über ihm werden Tomaten im Orbit kreisen.
Ohne liebevolle Hände, die sie streicheln, mit Substrat statt Erde, und doch zur Gesellschaft, das Augentierchen und einige Bakterien.
So ganz alleine werden sie nicht sein.
Das Projekt Eu:CROPIS macht es möglich.
Bild vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt
(DLR)
Geplant sind zwei Gewächshäuser auf einem Satelliten, welche einerseits die Mondbedingungen und andererseits die Marsbedingungen nachempfinden.
Als erstes werden die Tomaten auf den ‚Mondhaus‘ automatisch gezogen und beobachtet, 6 Monate unter Mondschwerkraft (0,16 g), danach wird der Satelitt schneller gedrecht und das ‚Marshaus‘ beginnt mit der automatischen Tomatenzucht unter 0,38 g, auch 6 Monate. Man beachte die Marspflanzensamen sind dann längere Zeit der Weltraumstrahlung ausgesetzt gewesen.
Sinn des Projektes ist es in einer Raumstation oder einer Marsstation, das Züchten von Tomaten zu ermöglichen. Man soll sie aus Samen ziehen. Denn Samen sind leichter als ganze Pflanzen. Und das spart Kosten beim Start einer Raket oder eines anderen Objektes, welches zu den Sternen fliegen soll.
Warum Tomaten und nicht Salat, dessen Blätter man als ganzes essen kann?
Vielleicht ist es für Menschen weit ab der Erde, schön zu sehen, wie etwas Vertrautes wächst und blüht und fruchtet.
Tomaten sind auch selbstfruchtbar, also ein idealer Kandidat und durch Spagetti mit Tomatensauce und Pizza mit rotem Belag in aller Munde und allseits beliebt. Ein Stimmungsheber, eine Frucht, die an schöne, unschuldige und leichte Zeiten erinnert. Eine Frucht, die gute Erinnerungsbilder herauf beschwört.
Andererseits ist es fraglich wieviel Weltraumstrahlung Samenkörner vertragen, ohne dass die Keimfähigkeit verloren geht. Für Reisen durch das All eine sehr wichtige Frage. Weltraumstrahlung ist erbgutverändernd, verursacht also DNA-Schäden.
Nur eine kleine Geschichte zur Erläuterung:
Einer meiner kleinen Tomaten-Sprösslinge hatte keine Keimblätter wie alle anderen, man könnte glauben, dies sei nicht weiter schlimm. Der Kleine wuchs langsam und begann Blüten zu bilden – soweit so gut. Aber die Blüten waren verkrüppelt und starben ab. Also nichts mit Früchten und nix mit Samen. Es lag eine nicht todbringende Mutation vor, die aber sehr wohl die Fortpflanzung verhinderte. Das würde auf der Gemüsestation der Marssiedlung niemanden freuen.
Der Kleine ganz rechts ist das Sorgenkind
Wo ist Himmel und wo ist Erde im leeren Raum?
Interessant ist, dass Pflanzen mindestens 0,1 g (Erd-Gravitation) benötigen, um oben von unten unterscheiden zu können.
Nicht unwichtig, wenn man Wurzeln in den Boden schlagen will. Es wird sich sicher auch zeigen, wie verminderte Schwerkraft auf die Ausbildung des Stützapparates wirkt.
Ich vermute mal, nicht so günstig.
Und woher kommt die Nahrung für die Nahrungsproduzenten?
Der gute alte Komposthaufen hat in steriler Umgebung nichts zu suchen. Zuviele unbekannte Bewohner, Zuviel, das schief gehen kann.
Es gibt keine Raumbrennnesseln für eine Brennnessel-Jauch. Da sind übrigens eine Menge Mikroorganismen drinnen.
Daher ein ‚einfaches‘ System. Einige Bakterien und die einzelligen Alge Euglena gracilis arbeiten zusammen, damit die Tomaten auch ihren Dünger kriegen.
Das soll so funktionieren.
Immer wieder wird künstlicher Urin dem Wasserkreislauf des Gewächshauses zugeführt. Das angereicherte Wasser fließt über Lavaplatten, in diesen haben sich die Bakterien häuslich niedergelassen. Sie wandeln den Ammoniak, er schadet nicht nur den Haaren beim Färben, sondern auch Pflanzen beim Wachsen, in Nitrit und dann Nitrat um. Und Nitrat mögen die Tomaten.
Sollte mal zuviel Urin in das System fließen, dann kommt der große Auftritt der Alge Euglena. Als Augentierchen macht ihr der Ammoniak nichts aus und sie baut ihn sehr rasch ab.
Jetzt wollen wir mal nicht darüber nachdenken, wie schwierig es ist, allein so ein kleines Ökosystem im Gleichgewicht zu halten.
Was können den kleinen TomatenzüchternInnen die Tomaten im Weltall bringen?
Den Tomaten selbst hochtrabende Träume. Seitdem eine Sorte nach einem Kosmonauten benannt wurde, sind einige andere eifersüchtig – Hier möchte ich keine Namen nennen. – und streben nach Höherem.
Dem Ein-Frau/Mann-PflanzenzüchterIn nichts bis gar nichts.
Großen Agrarbetrieben, die mehr Gülle erzeugen, denn sie verteilen dürfen – Ja, das Grundwasser hat das nicht gern. – könnte es ein wenig nützen, die Gülle weniger stinkt zu lassen. Rieselfilter mit Mikroorganismen und dem lieben Augentierchen können Ammonika umwandeln und den Geruch verbessern.
Der mögliche terrestrische Einsatz in Ballungszentren, auch Großstädten genannt, klingt ganz brauchbar.
So könnte ein Unternehmen als Prestigebau ein Haus mit vertikalen Garten bauen. Und dabei Dünger aus den unbrauchbaren Ausscheidungen der Mitarbeiter (vulgo Urin) gewinnen. Jeder Mitarbeiter und sei er noch so unproduktiv, kann mit seinem flüssigen Gold und den daraus wachsenden Nahrungsmittel, helfen die Kantinenpreise für Alle zu senken und das Erscheinungsbild der Firma zu verbessern.
Die PR-Abteilung kann mit verschiedenen Slogans für gute Stimmung sorgen:
‚Weniger Urin, mehr Grün.‘
‚Wir bringen frische Luft in die Stadt.‘
Und da wären wir wieder beim Grundthema.
Tomaten machen Spass.
Lassen wir sie doch statt uns nach den Sternen greifen.
PS:
Das Projekt lässt sich auf der Hompage von DLR verfolgen.
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